Sozialkontakt
Sozialkontakt

Integration von neuen Pferden

In einem Pensionsstall lassen sich Pferdewechsel leider auch bei gutem Stallmanagement und zufriedenen Kunden nicht vermeiden. Werden die Pferde in Gruppenhaltung gehalten bedeutet ein neues Herdenmitglied Stress für Pferd und Mensch!

Doch dies ist kein Grund, einem Pferd zu nehmen, was tief in seiner Natur verankert ist: das Leben mit Sozialpartnern der gleichen Art. Kein Esel, kein anderes Tier und schon gar kein Mensch ist dafür ein adäquater Ersatz. Daher müssen wir versuchen, unseren Pferden die Integration in die Herde so stressfrei wie möglich zu gestalten.

Wie das pferdische Zusammenleben in großen Gruppen in der freien Natur funktioniert, ist auf der unserer Seite Laufstallhaltung beschrieben. Leider ist im Pensionsstall alles anders und daher komplizierter.

In vielen Pensionsställen herrscht eine hohe Fluktuation. Die Stall- und Weidenachbarn wechseln oft mehrmals im Jahr und jeder Zu- oder Weggang bedeutet Verschiebungen im Machtgefüge der Herde. Die muss ihre Rangordnung jedes Mal neu aushandeln. Das birgt immer ein gewisses Verletzungsrisiko. Stehen sich zwei Pferde quietschend, schnaubend und auskeilend gegenüber, stockt einem schon maI der Atem. Vielleicht stellt sich auch schnell heraus, dass das eigene Pferd recht rangniedrig ist oder vom alten bösen Wallach weggejagt und gemobbt wird. Oder es ist so dominant, dass es anderen den Allerwertesten zudreht und zutritt. Das wünscht sich keiner.

Kontakt auf der Weide
Kontakt auf der Weide

Aber wie kann man neue Pferde erfolgreich und ohne größere Blessuren in eine Gruppe  integrieren?

Eine Methode, die in vielen Ställen üblich ist, ist alle Pferde einer Weidegruppe einfach mal in der  Halle oder auf dem Reitplatz zusammen zu stellen, um zu sehen, wie sie sich so vertragen. Das kann funktionieren – tut es aber oft nicht. Hier fehlt nämlich der entscheidende Faktor: Platz!

Knappe Ressourcen wie zu wenige Futter- oder Liegeplätze bedeuten Stress.

Eine große Weide mit üppigem Gras bietet dagegen eine gute Ausgangslage. Gerade im Frühjahr sind viele Pferde so heiß aufs frische Grün, dass Zusammenführungen oft ganz unkompliziert verlaufen. Ein bisschen Gerenne und Gequietsche und dann die Nase ins Gras stecken und fressen – das war’s.

  • Reichlich Platz zum Ausweichen entspannt das Zusammenfügen und das Zusammenleben in heterogenen Gruppen.
  • Hilfreich ist es, wenn man die Herdenkonstellation so gestalten kann, dass es reine Stuten- oder Wallachgruppen bzw. Stutengruppen mit wenigen Wallachen gibt.
  • Außerdem gilt: Je größer die Gruppe, desto leichter die Integration.

Leider ist nicht immer Frühjahr und es steht auch nicht immer eine saftige Weide für die Integration bereit. Auch die Gruppenzusammensetzung läßt sich in einem Pensionsstall nur begrenzt beeinflussen.

Beim Zusammenführen von nur zwei Pferden muss man genau schauen, was charakterlich harmoniert. Einen Jungspund mit einem Oldie zu vergesellschaften kann problematisch sein. Eine Stute und ein Wallach kommen meist besser klar als zwei gleichgeschlechtliche Partner. Schwierig kann die Kombination von Pferd und Pony sein. Da Ponys von Natur aus einen geringeren Individualabstand wählen, fühlt sich das Großpferd leicht bedrängt.

Bei schwierigen Kandidaten kann es sinnvoll sein, die Pferdebeine bei den ersten Kontakten gut einzupacken und die Eisen der Hinterhufe zu entfernen. Verletzungen sind eher selten, aber ein gebrochenes Griffelbein durch einen Tritt kommt leider schon mal vor.

Individueller Ruhebereich und Integrationsbox
Individueller Ruhebereich und Integrationsbox (auf dem Bild nicht aktiv)

In einem Boxenstall wie es ihn auf Hof Lüttgesheide gibt, sind die ersten Integrationspartner die Boxennachbarn. Hier sorgt die Boxenwand und der feste Boxen-Paddockzaun für eine sichere Distanz zwischen den neuen Nachbarn. Hat sich nach ein paar Tagen die erste Aufregung gelegt, kann man einen Schritt weiter gehen und diese Pferde gemeinsam kontrolliert auf einen größeren Auslauf (Reithalle, Reitplatz oder Winterauslauf) stellen. Funktioniert auch das gut, kann man es riskieren, die gesamte Weidegruppe zusammenzuführen. Auch hier wird es zunächst ein „großes Hallo“ geben, aber bald gehen die Pferde meist ziemlich gelassen zusammen auf die Weide oder in den Auslauf.

Will man ein neues Pferd in eine bestehenden Offenstallherde integrieren, erleichtert eine Integrationsbox das Ankommen. Diese sollte „mitten im Geschehen“ liegen, so dass der Neuzugang erste Kontakte zur Herde knüpfen kann, aber zugleich auch eine Rückzugsmöglichkeit bieten. Anfangs ist das Hallo vermutlich groß und alle Herdenmitglieder kommen zum Beschnuppern vorbei. Nach wenigen Tagen legt sich auch hier die Aufregung.

Und jetzt ist ein wenig Beobachtungsgabe und Pferdekenntnis gefragt: Manche Neuankömmlinge können direkt in die neue Herde entlassen werden. Bei anderen ist es besser, das neue Pferd zunächst nur mit einem Artgenossen zusammenzuführen. Das kann der Herdenchef sein oder ein bekanntermaßen freundliches Pferd als „Integrationspate.“

Kontakt auf der Weide
Kontakt auf der Weide

Ein gutes Stallmanagement zeichnet sich dadurch aus, dass der Stallbetreiber die Offenstallgruppe kennt und ein GefühI dafür hat, welche Vorgehensweise sich am besten eignet.

Auf jeden Fall sollten die Fortschritte gut beobachtet werden. Steht das neue Pferd öfter eng mit demselben Artgenossen zusammen? Dann bahnt sich womöglich eine Freundschaft an. Gegenseitige Fellpflege ist dafür ein sehr gutes Zeichen. Kann der Neuankömmling in Ruhe fressen? Findet er Schutz vor der Witterung und legt er sich schließlich auch in Gesellschaft zum Schlafen nieder?
Falls es Anzeichen für Stress gibt, kann es einem rangniedrigen Pferd gut tun, in der ersten Zeit nachts separat aufgestallt zu werden, um zur Ruhe zu kommen.

Ist die Integration gelungen, sieht man beglückt seinem Pferd beim vertrauten Mähnekraulen mit dem neuen besten Freund oder beim ausgelassenen Galopp inmitten der Herde zu und genießt das gute Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Dann gilt es, diese Ruhe und stabile Herdenkonstellation möglichst lange zu bewahren!

gelungene Integration
gelungene Integration